Die Herkunft des Wortes Schabernack ist nicht einwandfrei nachgewiesen. Es könnte von einem seltsamen Hut her rühren, der im Nacken schabte. Als wahrscheinlicher gilt, das dies eine alte Strafe für einen Rechtsbruch darstellt: nämlich, dass einem Nacken und Hinterkopf geschoren wurde.
Dornstetten ist ein sympathisches Städtchen, dass eine eigene Gerichtsbarkeit hatte, bis es in den Windschatten, des viel später erbauten Freudenstadt geriet. Die Fasnet wird hier groß geschrieben und damit auch der Schabernack. Die Schurkenfänger und das Drillerhansele tanzen ausgelassen durch die Hauptstraße des Städtchens.
Schon 2019 wurde ich gefragt, ob ich nicht diese Ehre entgegen nehmen würde, beim fröhlichen Treiben sozusagen die Hauptpersonen zu sein. Ich würde spaßeshalber für etwas verurteilt werden, was man sich dann noch ausdenken würde. Gotthilf Fischer wäre Narrenritter gewesen, außerdem Petra Binder und Doris Reichenauer von „Dui do on de sell“. Hansi Vogt,der Moderator und Sänger, der Verkehrsminister Winfried Hermann oder Artur Fischer, der Erfinder des Fischer-Dübels.
Als protestantisch geprägtes Individuum habe ich naturgemäß mit der Fasnet nicht so viel am Hut. Daran hat auch das Studium der Volkskunde (EKW) der Uni Tübingen kaum etwas geändert. Ich staune aber immer über so viel Ausgelassenheit. Vielleicht kann man meine Haltung, als respektvollen Abstand bezeichnen. Also nehme ich die Ehre gerne an.
Doch dann fällt jedoch für zwei Jahre die Fasnet aus.
Erst 2022 traten die Dornstettener wieder an mich heran.„Zugesagt ist zugesagt“, dachte ich mir und ließ sogar schweren Herzens das Konzert mit der Stadtkapelle Rottweil für dieses Jahr sausen, dass ich zuvor dreimal moderiert hatte.
So richtig aufgeklärt über den Vorgang war ich aber nicht. Immerhin besuchte mich eine Abordnung in Baiersbronn, wo ich das Weihnachtsprogramm spielte. Irgendein Vergehen, so wurde mir erklärt, müsste ich begangen haben. Vielleicht hätte ich einen Tannenbaum auf der Dornstettener Gemarkung gestohlen. Und außerdem nicht ich selbst, sondern Herr Hämmerle, dem man so etwas durchaus zutrauen kann.
Der Hauptamtsleiter des Städtchens schickte mir ein gut geschriebenes Textkonzept, in dem genau so steht, twie die Rechtsverhandlung vonstatten gehen wird. Dort stand sogar, was Herr Hämmerle zu seiner Entlastung erwidern könnte. Doch gab es durchaus auch Platz für eigene Ausführungen. Viel konnte also nicht viel schief gehen.
Das Treffen an diesem 12.Februar in der Stadthalle war freundlich und fröhlich und mein Advokat Helmut kümmerte sich hingebungsvoll um mich. Ob ich denn aufgeklärt worden wäre, so fragte er. Auch andern Narren waren äußerst zuvorkommend. Ich solle mich nur ordentlich stärken, für alles das, was da kommt.
Mitleidige Blicke und durchaus schadenfreudige Bemerkungen entgingen mir dabei nicht…
Wir sollen am Schluss des Zuges starten. 77 Zünfte sind vor uns unterwegs, teils zu Fuß oder aus basslästigen umgebauten Bauwagen. Dann ist es Zeit für die Halskrause. Wie bitte? Halskrause?! Das ist, so stellte sich heraus, ein Art mobiler Pranger, mit vier Ketten versehen, die von den Schurkenfängern, ausgerüstet mit Schlagwerkzeug aus Saublasen geführt werden.
Und das hatte man mir nicht gesagt.
Die hohe Gerichtsbarkeit, der Vogt, die Schöffen, der Advokat, aber auch seine Exzellenz und durchlauchtigster Kaiser Rudolf von Habsburg (der bei einem der vorigen Fasnet-Veranstaltungen seiner Krone verlustig gegangen war, dieselbe aber mit viel Spürsinn wieder in Alpirsbach an sich brachte).
Dann geht es durch Städtchen. Gut eine halbe Stunde ist es bis zum Marktplatz. Mit „Saubladdern“ zur Eile getrieben. Verspottet und verlacht. Armer Hämmerle!. „Ich bin unschuldig!“ schrie der und fast hätte man es ihm glauben können. Er versuchte, die Zuschauer für sich zugewinnen, in dem er einen Chor anleitete: „Hämmerle hat keine Schuld!“. Bescheidener Erfolg. Vor Jahren hatte Gotthilf Fischer ein Lied angestimmt und alle hatten mitgesungen. Herrn Hämmerle fällt kein Lied ein. der Song „Bempflingen“ bei der Fastet in Dornstetten? Eher keine gute Idee.
Immerhin die Halskrause ist nicht so eng. Und mehr als einmal muss ihm von einem der vier Schurkenfänger den Schnürsenkel gebunden werden. Erstaunlich, die Tausende von Zuschauern, die den Wegesrand säumen, glauben viel lieber, dass der Delinquent schuldig ist. Sie senken den Daumen und skandieren: „Schul-dig!“. Da machen dann alle mit.
Hämmerle streitet alles ab und spielt die gesamte Klaviatur der Unschuld.
„I war des gar net, I han nix g’macht, I han no nie was g’macht.
„Zur fraglichen Zeit war i völlig woanders. I ben nie do, wo was los isch…„
„I seh bloß ebber sehr ähnlich, der so was mache dät… !„

Dieses Passionsspiel führt hin bis zum Ort des Tribunals, wo Herrn Hämmerle die Halskrause abgenommen wird. Dort wird der Fall verhandelt. Und das Corpus Delicti, eine jämmerlich aussehende Fichte, die nie und nimmer in den Hämmerles Haushalt gepasst hätte, steht dort wie ein besonders absonderliches Folterinstrument.
Es ist ein Schau-Prozess im ureigenen Wortsinn. Das Urteil ist längst abgesprochen und auch die Busse ist längst geklärt. Herr Hämmerle soll einen Film über das Heimatmuseum in Dornstetten drehen.
Dann zwingt man ihn noch in eine Apparatur, die einem Vogelkäfig für Spaßvögel gleicht. Es ist ein Karussell, wo der Delinquent zur Abschreckung und unter dem Johlen der vielen Zuschauer Kräftig durcheinandergewirbelt wird. Das hatte vorher auch keiner erwähnt.
Herr Hämmerle nimmt’s gelassen, beklagt sich lediglichüber die schlechte, abgestandene Luft hinter den Stäben. Und dann geht es wieder zurück in die Stadthalle, wo Herr Hämmerle von Rudolf von Habsburg himself zum Narrenritter geschlagen wird.

Eine kurze Aufregung entsteht noch, als der beim Bempflinger mitbekommt, dass sich der Kaiser noch einmal heimlich beim Vogt erkundigt, wie er das Schwert schwingen müsse, um den frisch gebackenen Ritter nicht gar seines Kopfes samt Hut zu entledigen. Das wäre dann doch des Guten zu viel gewesen. Dann ist der Schabernack ist vorüber, Herr Hämmerle bekommt ein Mützchen und eine Urkunde überreicht und muss versprechen, dass er das nächste Jahr wieder auf der Narren Fasnet in Dornstetten erscheint.
Und das macht der wack’re Schwabe gern. Und er wird ebenfalls vermeiden, dem kommenden Delinquenten/Delinquentin allzu viel über den tatsächlichen Hergang des Narrengerichts zu verraten. Das wäre ja nur der halbe Spaß!
Da musste Herr Hämmerle wirklich tapfer sein !